Das Reifegradmodell
In der Welt der Sozialen Medien fehlt es oft an einheitlichen Bewertungsmodellen, um verschiedene Marken oder auch Branchen miteinander vergleichen zu können. Mit unserem vierstufigen Reifegradmodell (Stufe 1 = Anfänger, Stufe 4 = Innovatoren) untersuchen wir daher anhand von über 100 objektiven Kriterien, wie Marken auf Facebook, Instagram und LinkedIn abschneiden. Der Fokus liegt dabei auf geschäftsrelevanter Kommunikation. Kurz: Werden Formate und Technologien genutzt, die tatsächlich einen Beitrag zu Sales und Leads leisten?
Die aktuelle Analyse
Im Betrachtungszeitraum Mitte Jänner bis Anfang März 2022 wurden die Reisebüros und Reiseveranstalter Blaguss, Columbus (beide Teil der Gruppe Travel Star), Gruber Reisen, Kuoni (beide Teil der PRO-Gruppe), Ruefa Österreich und TUI Österreich auf ihre Performance auf den Kanälen Facebook und Instagram untersucht. Die Unternehmen wurden aufgrund der saisonalen Aktualität und ihrer Rankings nach Umsatzanteil (Quelle: Statista, Vorkrisenniveau) ausgewählt. Da die Unternehmen hauptsächlich auf den B2C-Bereich ausgerichtet sind, wurden die Kanäle Facebook und Instagram untersucht.
Das Ergebnis in Kurzform: Das Feld ist gedrittelt. TUI und Ruefa liegen mit knapp über 50% der erreichbaren Punkte als Spitzenreiter auf Reifegradstufe 3. Moderne Postingformate, spannende Inhalte, ein Fokus auf Geschäftsrelevanz. Danach kommen Columbus und Kuoni mit 28 bzw. 27% auf Reifegradstufe 2. Vor allem Traffic-starke Formate sitzen noch nicht. Hier gibt es noch Potenzial, mehr aus den Channels zu machen. Das Schlusslicht bilden Blaguss und Gruber Reisen. Mit nur 17 bzw. 12% der erreichbaren Punkte stehen sie auf Reifegradstufe 1 von 4. Hier muss noch an einigen Schrauben gedreht werden.
Eine Branche am Durchstarten
Frühjahr 2022: Die Pandemie möge ein Ende nehmen, die Österreicher*innen machen sich bereit fürs „Reisen wie damals“; Hochkonjunktur für Reisebüros und Reiseveranstalter. Die Branche hat großes Potenzial, auf Social Media richtig gutes Geschäft zu machen. Die Themen sind positiv besetzt, bieten großartiges Bildmaterial, Möglichkeiten für Stories, Live-Videos, Umfragen, Veranstaltungen. Menschen gehen aktiv auf die Suche nach den schönsten Destinationen, den besten Tipps. Zudem war das digitale Abschließen von Urlaubsdeals noch nie einfacher und – spätestens seit Corona – beliebter. Allerdings nutzen noch nicht alle analysierten Unternehmen diese Branchenvorteile für sich.
Perfekte Formate für Lust auf Meer
Viel richtig machen vor allem die Großen: Ruefa und TUI haben mit Carousels und zielführenden Linkposts die Nase vorne, wenn es um moderne Formate und Content Qualität für Urlauber*innen geht. Die Carousels sind besonders gut gelungen: Jede Kachel ermöglicht den Deep-Dive in eine andere Urlaubsdestination, jeder Swipe macht Lust auf Meer. Die Postings sind ansprechend, führen direkt auf die Webseite zu und dank sauberen Trackings kann auch verfolgt werden, was Urlauber*innen dort so treiben.
Thematisch spannen TUI und Ruefa den Bogen vom klassischen Urlaubsangebot bis zum Info-Post mit Nischentipps zu Motorrad-Reisen. Mehrwert kann so einfach sein: Etwa eine hübsch gestaltete Tabelle mit aktuellen Temperaturangaben beliebter Urlaubsziele. Und das im Februar, wo sich auch der letzte Winter-Fan auf die ersten warmen Sonnenstrahlen freut und wirklich alle vom letzten Durchfegen des Winterwinds genervt sind. Timing, Köpfchen und ein bisschen Fingerspitzengefühl für Grafik und Zielgruppenansprache sind eine gute Kombination.
„Wir stellen bei den Reiseanbietern große Unterschiede in der Bearbeitung der Kanäle fest. Die Branche eignet sich perfekt für Social Media-Bespielung mit Content, der zieht und den Geschäftserfolg positiv beeinflusst. TUI und Ruefa setzen jetzt schon auf die richtigen Formate. Die anderen Marken können mit kleinen Änderungen große Sprünge vorwärts machen.“
Mindset von gestern für Kanäle von heute
Schwerer tun sich da die Kleinen und die klassischen Reisebüros. Blaguss, Columbus, Gruber Reisen und Kuoni: Keiner der Anbieter verwendet Traffic-starke und zum Basisbausatz gehörende Linkpostings auf Facebook. Stattdessen werden Links immer noch im Postingtext versteckt. Das kann zu höheren Absprungraten führen, oder zu schlichtem Übersehen der Links, wenn diese in zu langen Textwüsten hinter „Weiterlesen“-Buttons versteckt sind.
Auf Instagram ist es noch durchwachsener. Blaguss hat keinerlei Story-Highlights angelegt, Kuoni nur ein einziges. Dabei funktionieren Highlights wie Kataloge – die schönsten Destinationen und beliebtesten Angebote können jederzeit angelegt und für alle sichtbar gespeichert werden. Links, Tags, Verweise – all das wäre möglich. Vor allem in der Reisebranche sind Highlights eine schöne Möglichkeit, einzelne Länder und Destinationen detaillierter vorzustellen. Schlusslicht der kleinen Reiseanbieter und Reisebüros macht auf Instagram Gruber Reisen. Der Kanal weist kein einziges reguläres Instagram-Posting im Betrachtungszeitraum auf. Highlights sind vorhanden, teils mit wirklich guten Ideen wie Videoberatungen. Der Content wirkt aber, als stamme er von einem privaten Account. Das ist nahbar, aber teilweise nicht sehr professionell.
„Feel-Good-Postings, User Generated Content, reichweitenstarke Influencer*innen und viel Sehnsucht nach Weit Weit Weg: Wenn Reiseanbieter genau hinschauen, was sich in ihrer Branche auf Social Media tut und auch noch Media-Budget und Tracking richtig einsetzen, können die Kanäle erheblich zum Geschäftserfolg beitragen.“
Reisen mit Anlass – vergebene Liebesmüh?
Nicht nur die Oster- oder Sommerferien sind beliebte Reisezeiten. Auch der Valentinstag bietet Reiseanbietern jährlich Grund für Angebote und Upselling. Diesen nutzt nur die Hälfte sinnvoll. TUI etwa spielt ansprechende Valentins-Carousel-Postings aus, die mehrere Destinationen vereinen und einzeln klickbar direkt auf die Angebotsseite zuführen. Blaguss spricht den Tag zwar an, verwertet ihn aber nur als Posting-Anlass, ebenso Columbus. Ohne Urlaubsangebot, ohne Zuführung auf die Webseite. Hier kann noch nachgeschärft werden, um die Geschäftsrelevanz des Contents zu erhöhen.
Community und Influencer: Die anderen auf Urlaub schicken
Wie andere Branchen, die mit positiv konnotierten Produkten zu tun haben, gibt es auch vom Reisen abertausende Seiten mit User Generated Content (UGC), also Inhalten, die von anderen Reisenden ins Netz gestellt werden. Statt auf getaggte Bilder zu reagieren und diese mit der eigenen Community zu sharen, spulen die Reiseanbieter auf Social Media aber lieber weiterhin ihr Programm ab. Das ist schade, denn hier wird die Chance auf realen, nahbaren Content aus der eigenen Community für die eigene Community vergeben.
Auch die Influencer-Bubble ist erwartungsgemäß dicht, wenn es um Urlaub und spektakuläre Destinationen geht. Diese Mädels und Jungs haben ein Auge für Landschaft, Licht und Leute. Und sie bringen eine große Fan-Base und Ahnung für Content mit, der auf den jeweiligen Plattformen zieht. Nur Ruefa und TUI lassen ihre User*innen die Urlaubsdestinationen auch mal durch die Linse von Influencer*innen sehen. Durch deren unmittelbaren Zugang zum Thema Reisen und Ästhetik tun sich neue Möglichkeiten auf, mit Entspannungs- oder Abenteuersuchenden in Kontakt zu treten. Marion Payr („Ladyvenom“), Österreichs bekannteste Travelbloggerin (mit 258.000 Followern auf Instagram), fährt etwa für TUI nach Mexiko und nimmt ihre und die TUI-Fans mit nach Yucatán. Das kann helfen, klassische Urlaubsangebote mit „echten“ Reiseberichten aufzulockern, Glaubwürdigkeit zu erzeugen und vor allem jüngere Zielgruppen ins Boot zu holen. Aber es kostet eben auch.
Service-Fokus auf fast ganzer Linie
Wer über Reisebüros und Reiseveranstalter bucht, will vor allem eines: Aufwand sparen. Flug, Transfer und Unterbringung aus einer Hand. Kein Zusammensuchen von unterschiedlichen Seiten. Das ist Service und die Kernkompetenz der Anbieter. Diese Serviceorientierung spiegelt sich auch im Community Management der Unternehmen wider. Reagiert wird prompt und freundlich. So schnelle Reaktionen weist kaum eine andere Branche auf. Einziger Ausreißer ist der Gewinner der Analyse, TUI. Über 24 Stunden Reaktionszeit im Chat und über eine Woche Verzögerung bei der Beantwortung von Community-Kommentaren, die auf einen Webseiten-Error hinweisen, der Buchungen unmöglich macht. Hier kann man nachbessern. Den eigenen Buchungszahlen zuliebe.
Urlaubern auf der Spur: Tracking und Ads
Social Media soll zum Geschäftserfolg beitragen. Dabei helfen vor allem zielgerichtete Ads und Tracking. Mediabudget kommt allerdings nicht flächendeckend zum Einsatz: Blaguss und Columbus verzichten gänzlich auf den Einsatz von Mediabudget. Gruber Reisen, sonst eher Schlusslicht, überrascht mit hübschen, professionellen Ads. Kuoni verwendet auf Facebook den smarten CTA „Jetzt buchen“ und trackt auch bis zum Checkout auf der Webseite mit. Gerade der Checkout-Pixel ist jedoch fehlerhaft. Gänzlich auf Tracking verzichtet nur Columbus. Und wie beabsichtigt das ist, bleibt ungewiss. Denn alle auf der Facebook-Seite gesetzten Links auf die Webseite sind ausschließlich über die App abrufbar. Über die Desktopversion landen Nutzer*innen über verschiedene Browser im Nirvana. Auch solche Kleinigkeiten können mitentscheidend sein für Erfolg oder Misserfolg von Buchungsabläufen und funktionierendem Tracking.
Wenige Schrauben, große Veränderungen
In Summe schneidet die Branche der Reiseanbieter nur mittelmäßig auf Social Media ab. die Voraussetzungen für gute Performance sind gegeben: Das Produkt ist hochgradig Social Media-tauglich, die Reiseindustrie wird hoffentlich wieder mehr Fahrt aufnehmen, Urlaubshungrige stehen in den Startlöchern. Verständnis für gute Social Media-Werbung haben vor allem die „Großen“ Ruefa und TUI. Columbus geizt nicht mit schönen Bildern, betreibt die Kanäle aber ohne große Rücksicht auf Geschäftsrelevanz in den Formaten. Kuoni packt Urlaubs-Feedback von User*innen gleich charmant in die Postings mit dazu, muss aber an der Einheitlichkeit der Postings und klickbaren Formaten arbeiten. Und Blaguss und Gruber stehen noch ganz am Anfang der Reise. Mit ein wenig Feingefühl könnten die Seiten aber schnell ganz anders aussehen.